Hier sollen immer wieder mal Kritiken, Rezensionen, Nachrufe etc. erscheinen
YES Tormato (1978)
Über das 78er Album „and then there were three“ habe ich bereits geschrieben – es war der Anfang zur „Kommerzkarriere“ des Rock-Trios Genesis
Und wie sooft veröffentlichte YES ebenfalls ein Werk im selben Jahr wie die Konkurrenz: Tormato
Der Weg für YES führte damit aber in die Gegenrichtung – im folgenden ein Rezension über das (für viele) schlechteste (oder zweit-schlechtestes nach Union 1990?) YES Album ever. Aber warum?
Yes hatte 1976 den abtrünnigen Rick Wakeman zurückgewonnen und mit ihm (und der damit für viele besten YES Besetzung) das Album „Going fo he one“ 1977 veröffentlicht. Ein Meilenstein – und sicher in jedem seriösen YES-Album Ranking unter den Top 5. Mit Awaken ist darauf der für viele (auch für mich) absolute kreative Höhepunkt dieser Band zu finden.
Man sollte also glauben, die Nachfolgeplatte (in derselben Besetzung, was bei YES mitunter nicht selbstverständlich war) hätte ähnliches vermuten lassen?
Doch es zog der Punk ins Land, YES und Co waren über Nacht in vieler Augen unbedeutend und überkommen geworden. Vielleicht sollte man auch nicht vergessen, dass da (im Gegensatz zu den auf ein 3er Kollektiv zusammengeschworenen Genesis-Musikern) fünf Individuen mit teilweise schon sehr starken Egos und erfolgreichen Solo-Karrieren (Wakeman) im Studio waren.
Es scheint die Legende zu stimmen, dass die Platte Ihren Namen bekam, nachdem Rick Wakeman auf die Cover-Entwürfe von Hipgnosis eine Tomate warf. Es passt nichts wirklich zusammen – auch in der Musik nicht.
Es fällt auf, dass Chris Squire für diese Produktion für seinen Bass einen „neuen“ Chorus Sound ausprobierte. Rick Wakeman wiederum nützte die Möglichkeit des neuen Polymoog in einer geradezu übertriebenen Spielfreude aus. Steve Howe blieb im wesentlichen bei seinem Sound, der Polymoog kam Ihm aber sehr störend in seinem Frequenzbereich in die Quere. Rick Wakeman setzte in dieser Zeit auch viel auf das von Ihm mitentwickelte Birotron. Das alles alleine muss noch kein schlechtes Album machen, aber es fällt eben auf. Positiv formuliert heißt so etwas: Innovation, Etwas Neues ausprobieren usw.
Future Times / Rejoice
Alan White stellt die Snare (und sein Können auf dieser Trommel) eindrucksvoll in den Vordergrund. Das Dur/Moll Intro der Band erklingt vielversprechend.
Bis zur Hälfte kämpfen Wakeman und Howe um Ihre Frequenzbereiche und belasten Gehörgänge, erst danach wird etwas YES spürbar
Don't Kill the Whale
Auch so etwas wie einen Singlehit gab es (incl. Videoclip). Es ist ein Squire-Titel, er spielt hier auch das Klavier. Und eigentlich wäre es eine gute Single (samt Ökobotschaft gegen das Walsterben), wollten YES damit ab der Hälfte etwas progressiv-vituoses draus machen wollen.
Noch eine Parallele: Auch Tony Banks setzte auf „and then there were three“ 1978 erstmals den Polymoog ein. Er entlockte bei Many too Many dem Instrument wunderbare Strings – Wakeman zeigt hier quasi das Gegenteil von „schön“. Positiv formuliert: Ein Instrument von großer Bandbreite….
Ich ertappe mich soeben, weiter bei Genesis bleiben zu wollen – aber Pfui Kommerz! – Back to Tormato….
Madrigal
Rick Wakeman on Chembalo (auch hier ein Meister!). Steve Howe ist mit seinem ersten Soloalbum bereits in die Renaissance Musik abgebogen, hier probieren es YES.
Das Zusammenspiel mit klassicher Gitarre und Chembalo gelingt um Klassen besser! Wakeman hat hier vermutlich auch ein bisschen orchestrieren dürfen.
Schön gespielter Kitsch!
Release, Release
Steve Howe erzählt, als diese Nummer gemischt wurde kam der legendäre Ahmet Ertegün ins Studio und fragte begeistert, ob das gesamte neue Material denn so wäre. Die Band bejahte…wissend dass dem aber nicht so war.
Ein zweifellos guter Zeitpunkt das Studio zu besuchen. Diese Nummer ist ein Highlight auf dem Album. Rock n‘ Roll! – und genialerweise in Dur -und Moll (was mir beim ersten Mal hören besonders gefiel!) Yes präsentieren sich für mich hier erstmals auf der Platte als Einheit – sogar ein Schlagzeugsolo (mit eingespieltem Applaus im Studio!) hat Platz.
Arriving UFO
Die Aliens kamen danach ins Studio! – sie klingen aber erstaunlich nach YES. Den Synthezisern wurde zwar einiges from outer Space abgerungen, aber es ist weit weg von damals angesagten Sounds ala Jean Michael Jarre oder Space - Magic Fly – Holt mich nicht ab (beamt mich auch nicht weg)
Circus of Heaven
Jon Anderson brachte seinen Sohn Damion ins Studio. YES gelingt es aber nicht etwas packendes daraus zu machen – uninspirierter Kitsch!
Onward
Auch das klingt nicht unmittelbar nach YES, aber es hat einen gewissen Charme. Rick Wakeman durfte wieder orchestrieren. RIP Chris Squire, der diesen Titel offenbar geschrieben hat.
On the Silent Wings of Freedom
Das ist das zweite Highlight der Platte: Das Intro fand in sehr vielen Live Solos von Chris Squire und Alan White Verwendung. Es zeigt den einflussreichen Bassisten, weniger auf Grund seiner Vituosität sondern mehr von seiner melodischen Seite. Auch das Zusammenspiel von Steve Howe und Rick Wakeman, die eine fast unheimliche Stimmung erzeugen ist hier perfekt. Das Intro baut sehr viel Spannung auf und zeigt wieviel Energie in dieser Band trotz allem noch steckte – definitv ein Song für die Bühne – und definitiv wieder YES! Wenn man so möchte ähnelt die Intro-Struktur etwas dem Titel Heart of the sunrise vom ersten Zusammentreffen von Squire-Wakeman-Howe bei Yes und schließt einen Bogen von 1971 bis 1978 ab.
Bei 5:25 setzen die Kirchenglocken ein. Das Ende der 70er-Jahre YES wird eingeläutet, Jon Anderson geht noch einmal ans Limit. Bei 6:16 geht Rick Wakeman wieder der Polymoog durch - bei 7:05 erneut. Aber hier passt das Solo, weil der Rest der Band phantastisch spielt. Kurz darauf endet das Stück relativ abrupt.
Aber so überraschend dieses Ende auch kommt, YES tourten danach (sehr erfolgreich) durch die USA und spielten fünf Mal in London. Für 1979 war auch wieder ein Album geplant – auf Grund diversester Umstände entscheid man sich in Paris aufzunehmen.
Alan White brach sich den Arm – einer von vielen Gründen warum dieses Album nie erschien. Jon Anderson und Rick Wakeman trennten sich von der Band. Das Album kursiert als „Paris Sessions Bootleg“ und einzelne Songs oder Fragmente fanden auf diversen Soloplatten aber auch am nächsten Album Verwendung.
Mit einem spontanen Transfer des Pop-Duos „The Buggles“ zu YES gelang es, 1980 das Album „Drama“ auf den Markt zu bringen und eine weitere bereits gebuchte US-Tour (in neuer Besetzung – mit Trevor Horn und Geoff Downes!) zu spielen.
Treppenwitz: Drama wurde bis zum Hinauswurf (Hinaus-Mobbing?) von Jon Anderson um 2009 negiert und tot-geschwiegen (es war auch live nie vorhanden), gilt seither aber als Geburtsstunde und hoch gepriesenes Erstlingswerk der "aktuellen" YES-Besetzung. Das ist insofern logisch, als 2011 immerhin 4 der 5 damaligen YES Musiker wieder als YES in Erscheinung traten. Nachdem auch der für Anderson engagierte YES-Tribute-Band Sänger Benoit David aus der Band flog, wurde sogar vor kurzem eine Version des 2011 erschienenen Werkes "Fly from here" mit (Wieder)Sänger Trevor Horn veröffentlicht. Der Produktion lag somit nicht nur ein "leftover" von 1979/80 zu Grunde, es war auch genau dieselbe Besetzung wie 1980 am Werk !